Fließendes Wasser stinkt nicht

Fast hätte ich mich an meinem Getränk verschluckt, als die EU verkünden ließ, dass man plane, die Wasserversorgung zu privatisieren. Ernsthaft? Um die eigenen Qualitätsstandards ad absurdum zu führen? Um den UNO-Beschluss über zu gewährleistende staatliche Grundwasserversorgung zu torpedieren? Klar müssten sich auch Privatfirmen an die Vorgaben halten, aber was will die EU tun, falls dies nicht geschieht? Einfach den Hahn zudrehen?

 

Und dass es zu einer Nichteinhaltung der Standards kommen wird ist so sicher, wie Wasser nass ist. Jedes Jahr sterben mehr Kinder durch Wassermangel als durch Krieg, Unfälle und AIDS zusammen und nun sollen sich die Firmen, die einzig die Wünsche der Aktionäre und das Geld im Sinn haben, um die Versorgung kümmern? Wer fürchtet sich da nicht vor Kosten, Zugänglichkeit und Qualität? Hat bei Post, Telekommunikation, Gesundheit und Strom bereits hervorragend funktioniert, nicht?!

Dabei gibt es auch für das Handeln mit Wasser genug negative Beispiele, denn in ärmeren Teilen der Erde werden mit dem blauen Gold bereits seit Jahren Milliardenumsätze erwirtschaftet. Dass die Bevölkerungen davon nichts abbekommen, muss wohl nicht erwähnt werden. Allen voran Peter Brabeck-Letmathe und Nestlé. Der weltgrößte Lebensmittelkonzern besitzt über 70 Wassermarken und behauptet trotz allem, dass der Trinkwasserhandel nur einen sehr kleinen Bereich ihres Umsatzes ausmacht. Sozusagen einen Tropfen im Ozean.

Dass Nestlé unter anderem in Pakistan und Nigeria das Grundwasser anzapft, um es dann teuer zu verkaufen, erzählen sie einem nicht. Die Firma lobt ihre Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit und vergisst dabei die Stichhaltigkeit der erdrückenden Gegenbeweise. Der Grundwasserspiegel dieser Länder sinkt nämlich stetig, sämtliche Rohre werden nicht mehr gewartet und somit vermischt sich alles mit den Abwässern. Primär betrifft dieses Problem die ärmeren Menschen, die sich auch nicht den Luxus leisten können, abgefülltes Wasser zu kaufen. Petitionen für einen Brunnen, damit die Bewohner solcher Gegenden ebenfalls Zugriff auf das Grundwasser haben, lehnte Nestlé ab. Selbst Benzin ist in den Ländern nun billiger als Wasser.

Im selben Fahrwasser treiben auch Unternehmen wie Coca-Cola ihr Unwesen. In Bolivien wurde 2000 die Wasserversorgung der Stadt Cochabamba an ein Bechtel-Konsortium verkauft. Daraufhin durfte man nicht mehr Brunnen graben oder Regenwasser sammeln; die Gebühren wurden verdreifacht und es brachen Proteste aus, da sich viele Menschen sauberes Wasser nicht mehr leisten konnten. Schulen und Arztrechnungen konnten nicht mehr bezahlt werden, wenn man nicht verdursten wollte. Nachdem die Demonstrationen eskalierten, wurde das Kriegsrecht verhängt. Die Folgen waren 6 Tote und über 170 Verletzte. Erst der wirtschaftliche Zusammenbruch des Landes und der wachsende Unmut zwangen die Regierung dazu, aus dem Vertrag auszutreten. Bechtel verklagte das Land daraufhin auf 25 Mio. Dollar. Da erscheint einem der damalige bolivianische Diktator Suárez schon wieder fast sympathisch.

Auf den Philippinen sieht es nicht besser aus, besonders in der Hauptstadt Manila, wo die Versorgung zwei Clans gehört, die mit amerikanischer und französischer Hilfe ihr Imperium aufbauten: Die Wasserpreise stiegen bis zu 700%, es gab keine Reparaturen oder Neuerungen, geschweige denn von neuen Anschlüssen. Konzessionsgebühren an den Staat wurden auch nicht gezahlt. In den Slums brach daraufhin die Cholera aus und forderte einige Menschenleben. Die ausländischen Investoren haben sich mittlerweile wieder sang und klanglos verabschiedet, da sie finanzielle Verluste erlitten und die Stadt versinkt im eigenen Dreck.

Wem diese Beispiele geographisch zu weit weg liegen, dem kann geholfen werden. In England und Wales wurde bereits 1989 die Wasserversorgung privatisiert, während Schottland und Nordirland weiterhin in staatlicher Hand blieben. Die Privatfirmen machten in den ersten 6-7 Jahren unglaubliche Umsätze. Auch hier auf Kosten der Bevölkerung, durch Preiserhöhungen, ohne auch nur einen Pence selbst investiert zu haben. Bereits ein Jahr später wurden in England und Wales knapp 3.000 Fälle von Ruhr gezählt; im darauffolgendem fast 10.000. Genauso verhält es sich mit den Zahlen der Haushalte, denen das Wasser abgedreht wurde. Was die EU nicht tut, erledigen Firmen.

In jüngster Vergangenheit waren vor allem Griechenland und Portugal betroffen – aus naheliegenden Gründen: Geldnot. So sollen Wasserwerke in Athen und Thessaloniki an Privatunternehmen verkauft werden, während in Portugal direkt die gesamten staatlichen Wasserbetriebe an private Besitzer abgetreten werden sollen, was bereits zu mehreren Protesten geführt hat. Doch auch im eigenen Land gibt es bereits vereinzelte Fälle. Das Prominenteste Beispiel ist Berlin! Unsere Hauptstadt hat akute Geldsorgen und privatisierte ihre Wasserversorgung, um den Erlös zum Schuldenabbau zu benutzen. Das Geld ist längst in der finanziellen Einöde versickert, während der Wasserpreis um 15% angehoben wurde. Ich frage mich, wie lange sich die Menschen noch trauen werden aus dem Wasserhahn zu trinken.

Wie so eine Ausbeutung funktioniert, zeigt ein weiteres Beispiel bzw. Produkt aus dem Hause Nestlé. Ihr Quellwasser „Poland Spring“ wird im Nordosten der USA direkt in Tanklaster abgepumpt. Täglich werden so 1 Mio. Liter Wasser in die nahe gelegene Abfüllfabrik transportiert. Im Jahr sind es ungefähr 25.000 solcher Fahrten. Pro Tankladung bekommt der Grundbesitzer 10 Dollar. Ein Tanklaster hat circa eine Kapazität von 30.000 Liter, die abgefüllt einen Umsatz von nahezu 50.000 Dollar ergeben. Wer möchte hier den kleinen Tropfen ausrechnen?

Das ist nicht nur viel Geld, sondern auch viel Wasser, das auf einen Schlag verschwindet. Innerhalb eines Jahres beinahe 3 Mrd. Liter, was der landwirtschaftlichen Menge des Bundesstaat Maine entspricht. Und es wird täglich mehr. Wird dem Unternehmen das Bohren und Anpumpen verweigert, verklagen sie Dörfer, Städten und Gemeinden. Für exakt dasselbe Wasser, dass die dort lebenden Menschen aus dem Hahn bekommen. Doch als Tafelwasser ist es dann 100 Mal teurer.

Interessant finde ich, wie sich Nestlé und andere Firmen um ihr Ansehen bemühen. So rühmt sich das schweizerische Unternehmen damit, dass sie gerade bei der Wasserversorgung viele humanitäre Projekte unterstützen, wie z.B. somalische Flüchtlingslager in Äthiopien. Natürlich wird einem nicht verraten, dass das stark eisenhaltige Wasser schon mal 2-3 Tage ausfallen kann, wenn die Pumpen wieder einmal Rost angesetzt haben.. Selbst bei funktionierenden Anlagen kommen auf zehn Menschen knapp 3 mittelgroße Kanister, die fürs Waschen und Kochen reichen müssen. Nestlé selbst ist bereits seit 2004/05 nicht mehr vor Ort, wirbt auf ihrer Homepage aber noch immer mit diesem Engagement. Dass Nestlé Äthiopien auf knapp 6 Mio. Dollar verklagte, weil es 1975 eines seiner Tochterunternehmen verstaatlichte, steht nicht auf ihrer Website. Image ist schließlich alles.

Der Psychologe Robert Hare, der auch das FBI berät, unterzog einen unterhaltsamen Versuch, indem er diverse Tests und Kriterien auf Konzerne abwandte, die, so seine Aussage, als juristische Personen angesehen werden wollen. In den meisten Fällen waren alle Kriterien erfüllt, die einen Menschen als „psychopathisch“ einstufen würden: „Gleichgültigkeit gegenüber den Gefühlen anderer; Unfähigkeit, dauerhafte Beziehungen einzugehen; skrupellose Gefährdung anderer; Unfähigkeit, Schuld zu empfinden; Hinterlist, Lügen und Täuschen um des eigenen Vorteils willen; Verletzung sozialer Normen und gesetzlicher Vorschriften. Mehr Kriterien gibt es nicht.“ Und die EU will solchen designierten Verrückten unser Wasser überlassen?

Ich frage mich manchmal ernsthaft, was die EU soll? Eine Bande von nicht demokratisch gewählten Personen, die sich hinter einem Schleier verbirgt und den Lobbyisten die Wünsche von den Lippen liest. Mir ist schon bewusst, dass die EU ihre Gesetze und Vorhaben veröffentlicht, aber wer sich nicht explizit damit befasst und sucht, wird es nicht mitbekommen, während einem das Rauchen verboten und das Wasser verhökert wird. Wird die Bevölkerung gefragt? Wo bleibt der freie Wille? „Der Markt wird es richten“, so ihre Antwort auf alles.

Sie werden einfach so weitermachen, bis man anfangen müsste, vor der eigenen Haustür zu bohren. Wer dann noch seine Blumen mit Wasser aus dem Gartenschlauch bewässern wird?

Wenn nichts unternommen wird, ist die Luft, die wir atmen bald das einzig übrig gebliebene freie Gut, das wir noch haben. Zumindest für die nächsten fünf Jahre.

„Der Markt wird es richten“, höre ich sie schon wieder sagen. Ich würde weinen, wenn meine Tränen mittlerweile nicht so kostbar wären.

 


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