Spätestens seit dem Herrn Karl Theodor Freiherr von Plagiat und zu Guttenberg wissen wir, dass es nicht rechtens ist, Gedankengänge von anderen einfach so zu klauen. Das Gleiche gilt natürlich auch für Bilder, Filme und was einem noch so dazu einfällt. Bis hierhin durchaus verständlich und nachfühlbar. Wer würde sich hier nicht aufregen, wenn man bei einer anderen Person eigene Zeilen entdecken würde? Oder auf einer ganz anderen Website?
Aber einige amerikanische Politiker müssen es mal wieder übertreiben! Seit Mai bzw. Oktober letzten Jahres schwirren zwei Gesetzesentwürfe durch das Repräsentantenhaus, die einiges mehr bewirken
könnten, als nur den entsprechenden Schuldigen in die Mangel zu nehmen:
Der “Stop Online Piracy Act” (SOPA) und der “PROTECT IP Act” (PIPA; PROTECT IP ist selbst schon eine Abkürzung für “Preventing Real Online Threats to Economic Creativity and Theft of Intellectual
Property”).
Auch wenn die Kürzel logisch sind, klingen sie doch arg grenzdebil bzw. nach Kindergarten. Aber die Amerikaner kürzen gern alles ab und dahinter versteckt sich meist Schlimmes. Die Gesetze sollen
nämlich Urheberrechtsinhaber befähigen, die Verbreitung ihrer geschützten Inhalte zu unterbinden. Klingt zunächst in Ordnung. Allerdings geht es noch weiter. Vor allem Copyrightverletzungen aus
dem Ausland sollen damit bekämpft werden, und zwar, in dem Provider und Suchmaschinen gezwungen werden, jeglichen Zugriff auf eine Website zu verwehren. Des Weiteren sollen Zahlungsanbieter (Bsp:
PayPal) sowie Werbenetzwerke (Bsp: Google AdSense… auch auf KeinVerlag zu finden) damit gezwungen werden, ihre Geschäfte mit mutmaßlichen „Schurkenseiten“ innerhalb von fünf Tagen abzubrechen.
Ja, bei der Namensfindung waren die Amis schon immer kreativ. Ein bisschen auf den Patriotismusknopf gedrückt und schon läuft die Sache. Hat ja im Irak auch schon hervorragend funktioniert. Na
ja.
Unterstützer dieser Entwürfe sind vor allem die großen Medienkonzerne der Musik- und Unterhaltungsindustrie, also Firmen wie Sony oder Warner, aber auch L’Oreal, Pfizer und Burton Snowboards
finden sich in den Listen. Ihrer Meinung nach werden dadurch ihr geistiges Eigentum und die Arbeitsplätze gesichert. Da hat Mama Merkel wohl Pate gestanden.
Gegner sind, wie vielleicht schon erwartet, Unternehmen wie Facebook, Google, eBay, Amazon, die Wikipedia-Gruppe sowie viele Bürgerrechtler und Journalisten. Sie werfen den Plänen Zensur vor, die
darüber hinaus nicht mit dem Recht der Meinungsfreiheit zu vereinbaren sein. Rechtsinhabern wären demnach in der Lage ohne ein unabhängiges Gericht Seiten sperren zu lassen. Auch das Europäische
Parlament ist nicht sonderlich begeistert von der Idee. Die Gesetzesentwürfe stehen übrigens auch im Widerspruch zur deutschen Rechtsprechung. Noch. Wundern würde mich ja auch nichts mehr.
Einige Firmen starteten am 18.01. Protestaktionen, wie z.B. die englische Wikipedia, die einen ganzen Tag lang unzugänglich war. Auf der Startseite von Google war das Logo mit einem schwarzen
Balken versehen; Ähnliches gab es auch auf der Mozilla-Homepage. Google stellte eine Petition ins Netz, die 4,5 Millionen Unterzeichner fand. Die Aktionen wurden auch deshalb ins Leben gerufen,
weil die wichtigsten Rundfunkanstalten in den USA kaum bis gar nicht darüber berichteten. Interessant fand ich, dass ein Tag später „Megaupload“, einer der größten Sharehoster, vom FBI dicht
gemacht wurde. Quasi ein erster Warnschuss vor den Bug der Internetpiraten.
Es gibt auch ein Alternativvorschlag der Kritiker, den „Online Protection and Enforcement of Digital Trade Act“ (OPEN Act, und auch ein besseres Kürzel), mit dem auch gegen
Urheberrechtsverletzungen vorgegangen werden soll, allerdings ohne dabei die Selbständigkeit des Internets zu bedrohen. Ist auch merkwürdig, dass die größten internationalen Maßnahmen zur Reform
des World Wide Web momentan gegen Tauschbörsen, Streamings und Fileshares geht. Nicht gegen Hacker, Internetkriminalität, Viren oder wie man es vielleicht erwarten könnte gegen die
Kinderpornographie. Das ist einfach nur Lobbyismus, weil Geld verloren geht. Okay teilweise viel Geld, aber das Problem ist nicht neu.
Hier kurz die wichtigen Aspekte:
1. Die Meinungsfreiheit wäre eingeschränkt, außerdem würde es weniger Raum für Neuerungen geben. Ein weiteres Problem ist, dass noch immer die allermeisten Server, Provider etc. in den USA
stehen.
2. Selbst Kleinigkeiten würden zur Strafe führen, wie z.B. dezente Hintergrundmusik in einem Clip oder ein einziges Foto in einer Collage, das nicht deutlich gekennzeichnet ist. Alles müsste
überwacht und untersucht werden. Wisst ihr, was das für KeinVerlag bedeuten würde? Außerdem würde selbst die normale Internetnutzung kriminalisiert werden. Ein nachgesungenes Lied auf YouTube und
schon hätte man eine Anklage am Hals.
3. Korrekte juristische Verfahren würden einfach umgangen. So müssten Betreiber von Websites „aus dem Ausland“ noch nicht mal von den gegen sie erwirkten Sperren durch die Urheberrechtsinhaber
benachrichtigt werden. Merken würde man es erst, wenn Anzeigen verschwinden oder kein Geld mehr fließt.
4. Der Betreiber der überführten Website hätte fünf Tage Zeit der Sperre zu widersprechen. Täte er dies jedoch, so unterwürfe er sich automatisch amerikanischem Recht - und könnte verklagt
werden!
5. Die geplante Filterung würde die ganze Struktur des Internets in Gefahr bringen. Jetzt wird es etwas kompliziert: Die Idee ist es, die DNS-Filter zu blockieren. Diese dienen dazu, die einer
Website zugeordnete (IP-)Nummer in einen Namen umzuwandeln (z.B. www.keinverlag.de). Diese sind jedoch leicht zu umgehen, wenn man die IP-Nummer kennt (http://whois.to/ und da einfach Homepage
eingeben z.B. www.keinverlag.de). Außerdem würde es ein momentan in Planung befindliches Sicherheitsprotokoll (DNSSEC) nutzlos machen.
Die Amis wollen nicht zum ersten Mal das Netz zensieren. Allerdings haben sie bisher immer nur Druck auf das Ausland gemacht, wie Frankreich, Großbritannien und Spanien, die nun so abstruse
Gesetze ratifiziert haben wie die „three strikes“ Regel (Drei Fehlgriffe und die Seite geht vom Netz). Politik mit Baseballbegriffen erklärt. Grandios. Sie haben sogar eine schwarze Liste mit
Ländern, die sich ihrer Meinung nach nicht genug gegen Internetpiraterie einsetzen. Einige solcher Depeschen wurden auf WikiLeaks publik, womit das Ganze einen faden Beigeschmack hat. Botschafter
die spanischen Präsidenten mit Sanktionen drohen. Das hätte ich gerne vor 100 Jahren mal gesehen. Zumal es in den USA selbst bislang nichts dergleichen gibt, auch keine Sperrgesetze und keine
„three strikes“-Regelungen für Benutzer von Downloadplattformen und Ähnliches. Ja, home sweet home.
Die Reaktion auf SOPA und PIPA werden immer wütender, wodurch man sehen kann, dass auch die Netz-Lobby stark ist. Mittlerweile haben sich sogar 18 Mitglieder des US-Senats öffentlich von den
Entwürfen abgewandt und auch das Weiße Haus ist eher skeptisch. Die Öffentlichkeit macht mobil und die Initiatoren kündigen bereits Überarbeitungen an, um nicht ins offene Messer zu laufen.
Eine lustige Anekdote am Rande: Der Abgeordnete Lamar Smith, der den SOPA-Entwurf einbrachte, wurde selbst ertappt, ein Copyright missachtet zu haben. Auf seiner Homepage war ein Hintergrundbild
zu finden, dass nicht korrekt genutzt wurde. Der Abgeordnete Lee Terry, ein weiterer Unterstützer des Gesetzes, hatte auf seinem eigenen YouTube-Kanal ein Werbevideo mit einigen bunt
zusammengewürfelten Ausschnitten aus Nachrichtensendungen gestellt, was auch eine Straftat wäre.
Es sind nur Kleinigkeiten, die aber das ganze Ausmaß dieser Gesetze aufzeigen. Das Internet würde zum Schlachtfeld verkommen, auf dem jeder auf alles schießen würde, was sich bewegt. Waidmanns
heil!
Die Leidtragenden des Konfliktes zwischen alten und neuen Medien, zwischen Hollywood und Silicon Valley und zwischen Virgin Megastore und iTunes sind mal wieder wir: die unsichtbaren Dritten. Und
morgen werd’ ich weinen.
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