Wenn's Silvester stürmt und knallt...

Nun ist das Neujahr bereits über eine Woche alt und man kommt nicht umhin zu glauben, dass wer noch Weihnachtsgeld übrig hatte, es vollständig für Raketen, Böller und Ähnliches verpulvert hat. Zumindest wenn man durch die Straßen wandelt.

Das Silvesterfeuerwerk ist ohnehin eine Welt für sich. Letztes Jahr gaben die Deutschen circa 113 Millionen Euro für ihr audio-visuelles Vergnügen aus. An drei Tagen! Die Branche braucht diese auch dringend, da sie den Großteil ihres Jahresumsatzes den privaten Pyrotechnikern zu verdanken hat. Das ganze Jahr über wird nur für Silvester produziert. Und das nicht zu knapp.
Ich war am 30.12. im ALDI einkaufen und der Markt hatte tatsächlich so einen armen Mitarbeiter nur dazu abgestellt, die Raketen nach zu füllen. Und er rannte pausenlos und unentwegt! Die ganze Zeit während meines Einkaufes. Von wegen Finanzkrise. Man könnte meinen, die Menschen hätten Geld wie Heu! Aber was wäre der Deutsche ohne Gejammer… ich komme vom Thema ab.

Was an dieses Jahr aber noch besonderes hinzukam, war die Gesetzänderung, durch die bis zu drei Mal so viel Nettoexplosivmasse in den Produkten enthalten sei darf als bisher. Nämlich bis zu 600 Gramm. Ist es ja nicht so, als ob Ambulanzen, Notärzte und Intensivstationen zum Jahreswechsel mit Schnapsleichen und den bisherigen Unfällen schon genug zu tun hätten. Abgesehen davon sind diese neuen Sprengkörper verdammt laut. Ich saß ein Tag vor Silvester bei Freunden und draußen wurde eine solche Bombe gezündet. Wir dachten, das Haus stürzt gleich ein.
Diese Änderung wurde durchgeführt, damit Deutschland mit dem Rest der EU gleichzieht. Weil es auch nicht wichtigere Themen gebe, bei denen man sich annähern könnte oder müsste. Haben wohl doch nichts zu tun, die Leute in Brüssel.

Klar müssen alle Böller deutlich und in Deutsch beschriftet sein. So muss der Hersteller oder Importeur mit allen Angaben draufstehen, irgendwelche Registrierungsnummern, der Sicherheitsabstand, die bereits erwähnte Nettoexplosionsmasse und die Altersfreigabe.
Aber mal ehrlich: Wen interessiert so was? Wer stellt seine Raketenabschussvorrichtung schon in einen Kasten, so dass die Flasche nicht umkippen kann? Wer hält sich an den Mindestabstand? Als ob wir früher nicht auch den großen Bruder oder einen Bekannten überredet haben, Zigaretten, Alkohol oder eben Raketen für uns zu kaufen? Und das ein 600 Gramm Böller nicht in die Hände eines Kindes gehört, dafür muss man kein Genie sein! Ich finde es gut, dass es vermerkt ist, aber damit wird man weder Unfälle noch Missbrauch verhindern können.
Vor allem dank des neuen Gesetzes, dass so dekadente und unnötige Sachen ermöglichen, wie die beinahe mannsgroße Feuerwerksbatterie Namens „Cake-Box“. Fast 190 Schuss, beinahe 60 Meter Steighöhe und ein stolzes Gewicht von 17 Kilogramm. Drei Minuten am Stück spuckt das Monster Feuer in die Luft. Und auch schräg seitwärts! Die Explosionsmasse beträgt fast 2 Kilo und somit wäre das Produkt eigentlich unzulässig, doch der Trick dabei ist, dass vier einzelne Batterien durch Kabel verbunden sind. Mit einem Warnhinweis im Karton wird darauf hingewiesen, dass man die Lunten vorher durchtrennen soll. Aber wer hält sich daran, wenn er die Möglichkeit hat, zum Star seiner Straße zu werden? Der Preis liegt übrigens über 100 Euro, was aber nicht vom Kauf abzuschrecken schien.

Was sich dann chronisch zum Kater an Neujahr gesellt ist Müll. Wenn man durch die Stadt läuft, fühlt man sich fast wie auf einem Schlachtfeld: Überreste von Raketen und Böller, die teils nur noch aufgeweichter Matsch sind; Unmengen an Glasscherben, die sich mit dem Rollsplitt vermischen und hin und wieder erblickt man die übrigen Begleiterscheinungen einer großen Party.
Selbst knapp 10 Tage später sieht es in manchen Gegenden noch sehr wüst aus. Und zum Glück hatten wir dieses Jahr keinen Frost und keinen Schnee in Freiburg, sonst wäre es noch schlimmer, während sich im Werkhof wahre Trümmerlandschaften ansammeln. Die Aufräumarbeiten werden wohl auch noch etwas anhalten, denn niemand käme auf die Idee, seinen eigenen Unrat nach dem veranstalteten Lichtspektakel wegzuräumen.
Da verstehe ich die Franzosen wieder, die das Feuerwerk zum Jahreswechsel in Paris komplett verboten hatten; nicht nur des Drecks wegen, sondern auch aufgrund der wiederholten Ausschreitungen und Zerstörungen. Darauf hoffe ich ja immer noch in Deutschland. Aus mehreren Gründen. Aber es würde wenigstens auch die „kleinen Kinder“ abschrecken, die meinen lustig zu sein, wenn sie einem Passanten Kracher vor die Füße werfen. Wenn, dann macht es richtig! Diese Art von Jugendlichen sind ein weiteres Problem. Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals so einen Blödsinn getan zu haben. Oder schon Tage vorher durch die Gegend zu wandern, um sinnlos Böller zu zünden.

Als Kind fand ich Silvester auch toll und ich freute mich jedes Mal, wenn ich selbst eine Rakete anzünden durfte. Wer fand das nicht aufregend. Aber auch das hielt sich insgesamt in Grenzen. Meine Familie hat, trotz vier Jungs, nie übertrieben und dafür bin ich sehr dankbar.
Mich würde ohnehin interessieren, woher der Brauch stammt, ein riesiges Feuerwerk zu veranstalten. Die Theorie einer alten germanischen Tradition, um den Winter zu vertreiben, erscheint weit hergeholt. Außerdem gibt es dafür doch schon den Karneval oder die Fastnacht, je nach Region.

Ich möchte hier weder Silvester abschaffen noch es verunglimpfen, aber wäre es nicht sinnvoller, professionell organisierte Feuerwerke zu veranstalten? In anderen Ländern wird das auch so gehandhabt und hat die Vorteile, dass man abschätzen kann, wie viel Müll ansteht und dass es weniger Unfälle gibt. Es gibt genug Pyrotechniker, die sicher gerne teilnehmen würden, und die Branche müsste auch nicht um ihre Einnahmen büßen. Einzig die Kosten für die Veranstalter müssten gedeckt werden, aber ich denke da, lässt sich sicher eine Lösung finden, so bereitwillig wie Menschen Unsummen für die Explosionsprodukte zahlen.
Ich liefere Anregungen, keine Lösungen. Dafür sollen sich die Politiker was ausdenken, bevor die in Brüssel wieder in ihren Sesseln einschlafen und weitere Gesetze verabschieden, die niemand braucht.

Das verpulvert nämlich nicht nur unser Geld, sondern auch den letzten Funken Intelligenz. Und Hoffnung.


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